1889 - 1976

Biographie

Lehre - >Sein und Zeit<

Interpretation

Angst

Literaturwegweiser

ausgewählte Werke

Briefverkehr mit Jaspers

Philosoph und Nazi


Martin Heidegger gehort zu den einflussreichsten Denkern des 20. Jhds. Seine Wirkung erstreckt sich über die Philosophie hinaus auf die Theologie, Psychologie und Literaturwissenschaft. Typisch für ihn ist der eigenwillige Sprachgebrauch - völlig neue Wortdeutungen zeichnen ihn aus!

Zitat
Interpretation
"Der Mensch ist gegen seinen Willen in die Welt geworfen und seine Sein ist ein Sein zum Tode." Dieses Geworfen-Sein lässt den Menschen seine Grenzen erfahren.
Ungefragt werden wir in ein Land, eine Region, eine soziale Schicht geboren und erfahren alleine schon durch dieses Hinein-Geboren-Sein in ein bestimmtes Land und eine soziale Schichte Grenzen der Entfaltungsmöglichkeit - aber auch gewisse Chancen.
"Die Existenz (das Sein des Daseins) wird vom jeweiligen Dasein selbst entschieden, in der Wahl seiner eigensten Möglichkeiten." Wir werden zwar in diese Welt geworfen, haben aber die Chance und die Wahl unser Potential auszuschöpfen und uns zu entwickeln - Heidegger nennt die entwickelte Persönlichkeit erst EXISTENZ - im Gegensatz zu Sartre, der zwar grundsätzlich diese Ansicht teilt, aber für Heideggers Existenzbegriff den Begriff des WESENs wählt!
"Die Grundverfassung des Daseins ist das >In-der-Welt-Sein<, in der Bedeutung von >vertraut sein mit< der Welt.! Der Mensch ist in dieser Welt und ein Teil dieser Welt. Sie ist ihm vertraut und er macht sie sich zu eigen.
" Das Vertrautsein mit der Welt ist vor allem durch den Umgang mit dem Seienden gekennzeichnet. Das Zeug ist durch seine Zuhandenheit bestimmt.
Dasein ist weiterhin Mitsein mit anderen, als die Bedigung der Möglichkeit. Der Umgang mit anderen wird als Fürsorge gefasst."
Im Umgang mit Dingen und anderen Menschen lernt der Mensch die Welt kennen und kann sich zur Existenz entwickeln.
Zumeist befindet sich Dasein nicht im Modus der Eigentlichkeit des Selbstseins, sondern in der >Verfallenheit an das Man< . Darin lässt sich das Dasein sein Sein von anderen abnehmen, indem es sich aus dem versteht, was >man< tut." Der Mensch ist nicht er selbst (kein >Selbstsein<), sondern erklärt sich und versteht sich durch das Umfeld, die Gesellschaft - gibt Verantwortung ab.
"Die Grundstruktur des Daseins ist die >Sorge< als Einheit von Existentialität (Seinkönnen - Zukunft), Faktizität (Gewesenheit) und Verfallenheit (Man) Der Mensch sorgt sich um Dinge, die er entweder nicht mehr ändern kann (Vergangenheit = Gewesenheit), um die Zukunft, um den Einfluss der Gesellschaft - um alles, das ihn an der Verwirklichung seiner Existenz hindern könnte.


"Die Grundbefindlichkeit des Menschen ist die Angst!"

Hiezu ein kleiner Textausschnitt:


Martin Heidegger
DIE ANGST aus: Sein und Zeit (Tübingen 1979, S. 186ff.)

Einen Gedanken des dänischen Existentialisten S. Kierkegaard aufgreifend, unterscheidet Heidegger zwischen " Furcht " und "Angst ". Im Phänomen der Angst sieht er ein für den Menschen spezifisches Grundgefühl, in dem sich ihm die Welt in ihrer Nichtigkeit offenbart.

"Wie unterscheidet sich phänomenal das, wovor die Angst sich ängstet, von dem, wovor die Furcht sich fürchtet? Das Wovor der Angst ist kein innerweltliches Seiendes. Daher kann es damit wesenhaft keine Bewandtnis haben. Die Bedrohung hat nicht den Charakter einer bestimmten Abträglichkeit, die das Bedrohte in der bestimmten Hinsicht auf ein besonderes faktisches Seinkönnen trifft. Das Wovor der Angst ist völlig unbestimmt. Diese Unbestimmtheit läßt nicht nur faktisch unentschieden, weiches innerweltliche Seiende droht, sondern besagt, dass überhaupt das innerweltliche Seiende nicht "relevant" ist. Nichts von dem, was innerhalb der Welt zuhanden und vorhanden ist, fungiert als das, wovor die Angst sich ängstet. ( ... ) Die Welt hat den Charakter völliger Unbedeutsamkeit. In der Angst begegnet nicht dieses oder jenes, mit dem es als Bedrohlichem eine Bewandtnis haben könnte.

Daher "sieht" die Angst auch nicht ein bestimmtes "Hier" und "Dort", aus dem her sich das Bedrohliche nähert. Dass das Bedrohende nirgends ist, charakterisiert das Wovor der Angst. Diese "weiß nicht", was es ist, davor sie sich ängstet. ( ... ) Das Drohende kann sich deshalb auch nicht aus einer bestimmten Richtung her innerhalb der Nähe nähern, es ist schon "da"

Im Wovor der Angst wird das "Nichts ist es und nirgends" offenbar. Die Aufsässigkeit des innerweltlichen Nichts und Nirgends besagt phänomenal: das Wovor der Angst ist die Weit als solche. Die völlige Unbedeutsamkeit, die sich im Nichts und Nirgends bekundet, bedeutet nicht Weltabwesenheit, sondern besagt, dass das innerweltlich Seiende an ihm selbst so völlig belanglos ist, dass auf dem Grunde dieser Unbedeutsamkeit des Innerweltlichen die Welt in ihrer Weltlichkeit sich einzig noch aufdrängt.

Was beengt, ist nicht dieses oder jenes, aber auch nicht alles Vorhandene zusammen als Summe, sondern die Möglichkeit von Zuhandenem überhaupt, das heißt zu Welt selbst. Wenn die Angst sich gelegt hat, dann pflegt die alltägliche Rede zu sagen: "es war eigentlich nichts". Diese Rede trifft in der Tat ontisch das, was es war. Die alltägliche Rede geht auf ein Besorgen und Bereden des Zuhandenen. Wovor die Angst sich ängstet, ist nicht von dem innerweltlichen Zuhandenen. Allein dieses Nichts von Zuhandenern, das die alltägliche umsichtige Rede einzig versteht, ist kein totales Nichts. Das Nichts von Zuhandenheit gründet im ursprünglichsten "Etwas", in der Weit. Dies jedoch gehört ontologisch wesenhaft zum Sein des Daseins als In
Das Sichängsten erschließt ursprünglich und direkt die Welt als Welt. Nicht wird etwa zunächst durch Überlegung von innerweltlich Seiendem abgesehen und nur noch die Weit gedacht, vor der dann die Angst entsteht, sondern die Angst erschließt als Modus der Befindlichkeit allererst die Welt als Welt. Das bedeutet jedoch nicht, dass in der Angst die Weltlichkeit der Weit begriffen wird.
Die Angst ist nicht nur Angst vor..., sondern als Befindlichkeit zugleich Angst um ... Worum die Angst sich abängstet, ist nicht eine bestimmte Seinsart und Möglichkeit des Daseins. Die Bedrohung ist ja selbst unbestimmt und vermag daher nicht auf dieses oder jenes faktisch konkrete Seinkönnen bedrohend einzudringen. Worum sich die Angst ängstet, ist das In
Die Angst offenbart im Dasein das Sein
Dass die Angst als Grundbefindlichkeit in solcher Weise erschließt, dafür ist wieder die alltägliche Daseinsauslegung und Rede der unvoreingenommenste Beleg. Befindlichkeit, so wurde früher gesagt, macht offenbar, "wie einem ist". In der Angst ist einem "unheimlich". Darin kommt zunächst die eigentümliche Unbestimmtheit dessen, wobei sich das Dasein in der Angst befindet, zum Ausdruck: das Nichts und Nirgends. Unheimlichkeit meint aber dabei zugleich das Nicht

ontisch: seiend, seinsgemäß; bei Heidegger im Unterschied zu ontologisch das Seiende in seiner Tatsächlichkeit, das noch nicht rational erschlossen ist.